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Chronischer Energiemangel im Sport: Das RED-S Syndrom – Ein sportmedizinischer Blick

Mehr als nur Erschöpfung: Definition und Ätiologie des relativen Energiedefizits im Sport (RED-S) und warum eine ausreichende Energieversorgung die Basis für Leistung ist.
Erschöpfter männlicher Läufer sitzt in der Umkleidekabine auf einer Bank, stützt den Kopf in die Hände, trägt Sportsachen und eine Orthese am Fuß, umgeben von Wasserflaschen und Snackverpackungen.
Aktualisiert am
9.12.2025
2025-12-09 10:40 pm
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Definition und Ätiologie des RED-S-Syndroms

Das Relative Energy Deficiency (Syndrome) in Sport (RED-S) ist ein umfassendes klinisches Syndrom, das durch eine niedrige Energieverfügbarkeit (Low Energy Availability – LEA) verursacht wird. Es stellt eine funktionelle Beeinträchtigung einer Vielzahl physiologischer Systeme dar, die nicht nur für das Training, sondern auch für die Aufrechterhaltung der Homöostase (= Gleichgewicht) und der Grundfunktionen des Körpers notwendig sind.

Low Energy Availability (LEA)

Die niedrige Energieverfügbarkeit (LEA) ist die zentrale pathophysiologische Ursache des RED-S. Sie beschreibt den Zustand, in dem die verfügbare Energie, die dem Körper nach Abzug des Energieverbrauchs durch sportliche Aktivität (EEE = exercise energy expenditure) verbleibt, nicht ausreicht, um die vitalen Funktionen in ihrer Gesamtheit aufrechtzuerhalten.

Die Energieverfügbarkeit (EA = Energy Availability) wird wie folgt definiert:

EA = (Energieaufnahme – Energieverbrauch durch Training) / fettfreie Masse (FFM)

  • Die Energieverfügbarkeit wird in kcal/kg FFM/Tag angegeben.
  • LEA liegt vor, wenn die Energieverfügbarkeit dauerhaft unter 30 kcal/kg FFM/Tag liegt. Der Körper beginnt, lebenswichtige Prozesse zu drosseln, um Energie zu sparen.
  • Für einen Aufbau von Masse sollte eine Energieverfügbarkeit > 45 kcal/kg FFM/Tag angestrebt werden.
  • Eine optimale Energieverfügbarkeit liegt bei 45 kcal/kg FFM/Tag vor.
  • Für einen Gewichtsverlust kann davon leicht nach unten abgewichen werden. Als noch für einen begrenzten Zeitraum tolerierbar gilt eine Energieverfügbarkeit von 30–45 kcal/kg FFM/Tag.

Eine niedrige Energieverfügbarkeit kann sowohl unbeabsichtigt (z. B. durch unzureichendes Wissen über den erhöhten Kalorienbedarf bei hohem Trainingsumfang) als auch absichtlich (z. B. im Rahmen einer Essstörung oder des bewussten Versuchs, das Körpergewicht zu senken) entstehen. Häufig sehe ich in der Zusammenarbeit mit Patient:innen oder Athlet:innen, dass versucht wird, das Gewicht zu reduzieren, da sich hierdurch Leistungsverbesserungen versprochen werden. Häufig besteht dahingehend auch von außen ein impliziter oder expliziter Druck auf Athlet:innen von Seiten der Trainierenden, der Eltern etc. Social Media und allseits präsente „Schönheitsideale“ tun ihr Übriges.

Systemische Auswirkungen und klinische Manifestation

RED-S ist nicht auf ein einzelnes Körpersystem beschränkt, sondern kann alle physiologischen Systeme beeinträchtigen. Die folgenden klinischen Manifestationen sind charakteristisch und können je nach Geschlecht variieren.

Hormonelle und reproduktive Störungen

Die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse wird durch eine niedrige Energieverfügbarkeit unterdrückt (hypogonadotrofer Hypogonadismus), was die Fortpflanzungsfunktion einschränkt.

  • Bei Frauen: Ausbleiben der Regelblutung (Amenorrhoe), Zyklusstörungen oder Oligomenorrhoe.
  • Bei Männern: niedriger Testosteronspiegel, verminderte Libido, reduziertes Ejakulatvolumen oder erektile Dysfunktion. Auch eine verringerte Morgenerrektion kann ein Warnhinweis sein.
  • Low-T3-Syndrom (Verringerung des Schilddrüsenwerts fT3 ohne Vorliegen einer anderweitigen Schilddrüsenfunktionsstörung)

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Störungen des Herz-Kreislauf-Systems

  • Sinusbradykardie
  • QT-Verlängerung
  • niedriger Blutdruck
  • Erhöhung von Cholesterinwerten

Wachstum und Entwicklung

  • Durch eine verringerte Ausschüttung von Wachstumshormonen (IGF-1) kann es bei Kindern/Jugendlichen zu einer Verzögerung/zu einem Ausbleiben von körperlichem Wachstum kommen.

Skelett- und Knochengesundheit

  • Die verminderte Ausschüttung an Sexualhormonen (Östrogen, Testosteron) sowie Veränderungen im Kalzium- und Vitamin-D-Stoffwechsel führen zu einer reduzierten Knochendichte.
  • Erhöhtes Risiko für Ermüdungsbrüche (Stressfrakturen), insbesondere in der unteren Extremität.
  • Entwicklung von Osteopenie bis hin zur Osteoporose.

Magen-Darm-Symptome

  • Bedingt durch eine verringerte Zufuhr von Ballaststoffen und Kohlenhydraten kann es zu einer Veränderung des Mikrobioms kommen.
  • Schwächung der Barrierefunktion durch verringerte Energieverfügbarkeit.
  • Psychologische Faktoren wie Stress und Angst tragen zu Magen-Darm-Beschwerden bei.

Immunsystem

  • · Reduzierte Immunfunktion, was zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infekte der oberen Atemwege und verlängerten Krankheitszeiten führt.

Psychische und kognitive Symptome

  • Stimmungsschwankungen, Gereiztheit, Gedächtnisstörungen
  • Schlafstörungen
  • Motivationsprobleme

Sportspezifische Symptome

  • Verringerte Anpassung an Trainingsreize
  • Verringerte Trainingsverfügbarkeit durch Krankheit und Verletzung
  • Verschlechterte Erholung
  • Verschlechterte kognitive Leistungsfähigkeit
  • Verringerte Muskelkraft
  • Schlechtere Ausdauerleistung

Bei all den genannten Symptomen ist wichtig anzumerken, dass diese auch völlig unabhängig von einer niedrigen Energieverfügbarkeit auftreten können. Andere mögliche Ursachen sollten im Rahmen der ärztlichen Diagnostik immer ausgeschlossen werden.

Was tun bei RED-S?

Zuerst sollte ein RED-S tatsächlich diagnostiziert werden. Da dies häufig eine umfangreiche Abklärung und ein umfangreiches Wissen zu dem bisher nur unzureichend bekannten Krankheitsbild erfordert, sollte idealerweise eine Vorstellung von betroffenen Sportler:innen in einem spezialisierten, sportmedizinischen Untersuchungszentrum erfolgen. In Berlin bietet die sportmedizinische Ambulanz der Charité eine Sprechstunde für RED-S-Patient:innen mit Anschluss an ein sportgynäkologisches Netzwerk an. Auch in Tübingen gibt es ein ähnliches Netzwerk.

Wie kann ich vorbeugen?

Achte auf eine ausreichende Energieaufnahme durch eine ausgewogene Ernährung. Idealerweise kennst du deine fettfreie Masse (diese kann durch eine Hautfaltendicken-Messung mit einer Caliperzange, eine professionelle Körperzusammensetzungsanalyse oder näherungsweise auch durch eine Körperfettwaage für den Heimgebrauch bestimmt werden).

Wenn du deine fettfreie Masse kennst, kannst du die Menge Energie, die du für eine optimale Energieverfügbarkeit benötigst, mit obenstehender Formel berechnen. Im Folgenden zwei Rechenbeispiele:

Läuferin 65 kg, 20 % Körperfett, ca. 1500 kcal Energieverbrauch durch Bewegung. Energieaufnahme 3800 kcal

Fettfreie Masse = 52 kg

Energy Availability = (3700 kcal – 1500 kcal) / 52 kg = 44,2 kcal/kg FFM/Tag

→ quasi optimale Energieverfügbarkeit

Bodybuilder 98 kg, 4 % Körperfett, ca. 1300 kcal Energieverbrauch durch Bewegung. Energieaufnahme 4000 kcal

Fettfreie Masse = 94 kg

Energy Availability = (4000 kcal – 1300 kcal) / 94 kg = 28,7

→ niedrige Energieverfügbarkeit

Die Läuferin ist gut mit Energie versorgt und wahrscheinlich derzeit nicht durch ein RED-S gefährdet, während unser Bodybuilder in obigem Beispiel sich in einer Situation einer niedrigen Energieverfügbarkeit befindet, die, sofern sie lang genug anhält, sicherlich zu einem RED-S führen wird.

Wie lange eine niedrige Energieverfügbarkeit anhalten muss, um ein RED-S herbeizuführen, ist ungeklärt. Jedoch lässt sich wahrscheinlich sagen, dass eine mild ausgeprägte niedrige Energieverfügbarkeit länger bestehen kann als eine sehr stark ausgeprägte niedrige Energieverfügbarkeit.

Fazit

Ein RED-S stellt ein komplexes und potenziell schwerwiegendes Syndrom dar, das sowohl die Gesundheit als auch die sportliche Leistungsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigen kann. Entscheidend ist ein frühzeitiges Erkennen von Warnsignalen und ein Bewusstsein dafür, dass chronische Energieunterversorgung nicht nur ein Ernährungsproblem, sondern ein systemisches Belastungs- und Regenerationsproblem darstellt.

Durch gezielte Prävention, kontinuierliche Aufklärung und interdisziplinäre Betreuung können Athlet:innen das Risiko für RED-S deutlich reduzieren. Eine angemessene Energieverfügbarkeit ist dabei keine Option, sondern eine grundlegende Voraussetzung für langfristige Leistungsentwicklung, Gesundheit und Wohlbefinden. Das frühzeitige Erkennen von Warnsignalen und eine angemessene Energieversorgung sind entscheidend für eine gesunde Leistungssteigerung. Daher ist uns bei Enduure in der individuellen Zusammenarbeit mit Athlet:innen das Feedback und der regelmäßige Austausch mit unseren Athlet:innen besonders wichtig, da wir nur so Hinweise z.B. auf ein RED-S erhalten und entsprechend aufklären können.

Quellen:

Mountjoy M, Ackerman KE, Bailey DM, et al, 2023 International Olympic Committee’s (IOC) consensus statement on Relative Energy Deficiency in Sport (REDs), British Journal of Sports Medicine 2023;57:1073-1098.

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FAQs

Was ist RED-S?

RED-S (Relative Energy Deficiency in Sport) ist ein klinisches Syndrom, das durch niedrige Energieverfügbarkeit (LEA) verursacht wird. Es beeinträchtigt mehrere physiologische Systeme und kann sowohl die Gesundheit als auch die sportliche Leistungsfähigkeit stark beeinflussen.

Was bedeutet Low Energy Availability (LEA)?

LEA beschreibt den Zustand, in dem die Energie, die nach Abzug des Trainingsverbrauchs dem Körper zur Verfügung steht, nicht ausreicht, um alle lebenswichtigen Funktionen aufrechtzuerhalten.

Formel:

EA = (Energieaufnahme – Energieverbrauch durch Training) / Fettfreie Masse (FFM)

  • LEA: < 30 kcal/kg FFM/Tag
  • Optimale Energieverfügbarkeit: ≈ 45 kcal/kg FFM/Tag

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Simon

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Philip

Philip ist Arzt, DOSB C-Trainer im Triathlon und startet selbst als ambitionierter Amateur auf verschiedenen Distanzen im Triathlon.

Zwei junge Männer in Sportbekleidung laufen auf einer Straße vor einer grünen Hecke, einer trägt ein weißes Shirt und blaue Shorts, der andere ein schwarzes Outfit.